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Paul Mathias weber und Manfred Strobl (v.l., Fotos: privat)

Führungsqualitäten und -lügen: Mathias Paul Weber und Manfred Strobl im Interview

Steuerberatung basiert auf Vertrauen. Diesen Satz sagen und hören Steuerberater gern. Die beiden ehemaligen Steuerberater* Mathias Paul Weber (Foto links) und Manfred Strobl halten den Satz für eine oftmals substanzlose Floskel. Sie sagen: „Steuerberater vertrauen selbst nicht, weder Mandanten noch Mitarbeitern.“ Warum? Das erklären die beiden im Interview.

(* Update: Die beiden haben nach jahre- und jahrzehntelanger Arbeit als StB inzwischen auf ihre Titel verzichtet.)

Schuld an dieser Floskel und anderen Miseren der Steuerberatung ist nach Meinung der beiden die einseitige Ausrichtung auf das Fachliche in Ausbildung und Praxis. Menschliche, unternehmerische und kommunikative Fähigkeiten kommen dabei unter die Räder, sagen die beiden Berater, die mit einer Führungsakademie angetreten sind, diese Schwächen auszubügeln.

Sie sagen, die fachliche Seite steht bei Aus- und Weiterbildung an erster Stelle. Was kommt denn dabei Ihrer Meinung nach dabei zu kurz?

Manfred Strobl (MS): Durch die eindimensional fachlich geprägte Aus- und Weiterbildung der Steuerberater werden wichtige erfolgskritische Faktoren praktisch nicht vermittelt, nämlich:

  • Menschenführung
  • Entwicklung der eigenen Persönlichkeit,
  • Verhandeln und
  • souveräner Umgang mit dem Finanzamt

Mathias Paul Weber (MPW): An diesen fehlenden Kompetenzen krankt der ganze Berufsstand. Darunter leiden die Mitarbeiter und vor allem: die Mandanten.

Die anderen StB kommen doch auch zurecht. Warum soll ich mich also in fachfremden Dingen fortbilden?

MS: Eine ausgeprägte Persönlichkeit ist die Basis einer erfolgreichen Berufsausübung. Mandanten ist wichtig, dass sie einen Steuerberater haben, dem sie vertrauen und den sie sich verlassen können – auch in stürmischen Zeiten.

MPW: In meiner Tätigkeit als SteuerConflictCoach habe ich immer wieder festgestellt, wie wenig die Steuerberater über die Menschen beim Finanzamt wissen und wie schwach entwickelt ihre Verhandlungsfähigkeit ist – gerade in schwierigen Situationen.

Und sind organisatorische und fachfremde Aufgaben nicht auch delegierbar? Warum sollte ich selbst diese Dinge stemmen?

MS: Es geht nicht um organisatorische oder fachfremde Aufgaben. Es geht um den Steuerberater in seiner Persönlichkeit und seiner Führungsfähigkeit.

MPW: Genauer gesagt: in einer Zeit immer stärkeren Wandels geht es um seine persönliche Zukunftsfähigkeit. Das ist nicht delegierbar.

Sie sprechen von den sieben Herausforderungen und sieben Irrtümern: Welche sind das?

MS: Die sieben Irrtümer der Steuerberater sind:

  1. Im Steuerrecht zählen nur Fakten. Richtig ist: In dem unüberschaubaren Steuerrecht treffen immer noch Menschen die Entscheidungen. Menschen entscheiden nicht rational, sondern emotional. Dies sollte sich der Steuerberater klarmachen und für seine Zwecke nutzen.

  2. Finanzbeamte sind Gegner. Richtig ist: Finanzbeamte sind Geschäftspartner und im günstigen Falle Verbündete zur Lösung schwieriger Themen. „All business is people business“.

  3. Steuerberatung basiert auf Vertrauen. Richtig ist: Steuerberater vertrauen selbst nicht. Weder Mandanten noch Mitarbeitern. Das liegt an den gebetsmühlenartigen Predigten der Kammern und der Versicherer, möglichst keine Haftungsrisiken einzugehen, getreu dem Motto: Vertrauen ist gut – Misstrauen ist besser.

  4. Fachwissen genügt für nachhaltigen Erfolg. Richtig ist: Fachwissen nützt gar nichts, wenn es nicht gewinnbringend angewendet wird. Auch werden Beziehungen häufig dramatisch unterschätzt. Für den Erfolg ist häufig wichtiger, wen man kennt, als was man weiß.

  5. Mandanten sind wichtiger als Mitarbeiter. Richtig ist: Der Charme und die Chance liegen darin, die Leistungen des Steuerberaters durch Mitarbeiter zu addieren, besser noch: zu multiplizieren.

  6. Sie können mit dem Finanzamt verhandeln. Richtig ist: Die meisten Steuerberater verhandeln nicht professionell mit dem Finanzamt. Sie setzen entweder auf Konfrontation oder auf Unterwerfung.

  7. Erfolg bestimmt sich in erster Linie nach Zahlen. Richtig ist: Geld allein macht nicht glücklich. Ein gutes Betriebsklima und menschenorientierte Führung bringt fast zwangsläufig wirtschaftliche Erfolge.

MPW: Und die sieben Herausforderungen lauten:

  1. Der Nachwuchs an Mitarbeitern wird knapp. Die Steuerberater konkurrieren um Mitarbeiter. Untereinander und mit der Industrie. Sie müssen einiges bieten, um neue Mitarbeiter zu finden.

  2. Ähnlichkeit, Vergleichbarkeit, Konkurrenz – Die Ansprüche der Mandanten steigen. Wenn alle Steuerberater vergleichbare Standardleistungen in vergleichbarer Qualität erbringen, wird der Preis zum einzigen Maßstab. Der finanzielle Druck auf die Kanzleien wächst.

  3. Umsetzungsfalle Wissen. Viele Steuerberater haben ein enormes Fachwissen – und scheitern dennoch bei der Umsetzung. Sie bringen ihre „PS einfach nicht auf die Straße“. Sie sind Wissensriesen und Umsetzungszwerge.

  4. Die Veränderungen werden immer schneller und tiefgreifender. Wir erleben es tagtäglich: Die Welt verändert sich immer schneller. Wer hätte bei der Einführung des Euro, die gerade einmal elf Jahre zurückliegt, geahnt, dass wir in eine Phase permanenter Rettungsschirme gelangen? Das macht auch vor der Steuerberatung nicht Halt. Das Chaos wird Normalität. Und wir müssen uns darauf einstellen.

  5. Kommunikation wird immer wichtiger. Es genügt nicht, gut zu sein. Andere müssen auch davon erfahren. Nur eine dem Mandanten kommunizierte Leistung ist eine in seinen Augen erbrachte Leistung.

  6. Verhandeln wird immer wichtiger (mit Mandanten, Mitarbeitern, Finanzbeamten, Bankern, etc.). Nahezu alles ist verhandelbar. Auch und gerade mit dem Finanzamt. Hier gilt: „Sie bekommen nicht, was Sie verdienen. Sie bekommen, was sie verhandeln.“ Hier müssen Steuerberater aufholen.

  7. Menschenführung bzw. Leadership wird zur Schlüsselkompetenz. Die Zeiten des Befehlstons in der Steuerkanzlei sind vorbei. Ein erfolgreicher Steuerberater muss seine Mitarbeiter optimal nach dessen Stärken und Neigungen einsetzen. Denn: Führung ist die Umwandlung von Wissen in Kundennutzen.

Wenn ich den Mangel aufholen kann, den Sie beschreiben: Warum sind Sie dann nicht StB geblieben?

Wir haben beide für uns festgestellt, dass die klassische Steuerberatertätigkeit mit Buchhaltung, Bilanz und Steuererklärung uns nicht ausfüllt. Und wir haben unsere Kompetenzen im Laufe der Zeit herausgefunden. Konsequenterweise konzentrieren wir uns auf unsere Stärken und helfen durch die SteuerberaterFührungsAkademie AKTIV.S anderen Steuerberatern dabei, die strategisch wichtigen Bereiche Persönlichkeit, Führungsfähigkeit und Soft Skills zu entwickeln.

[Das Interview würde per Mail geführt – und von Amsterdam aus veröffentlicht. Internet, ich liebe dich!]

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Über Mathias Paul Weber und Manfred Strobl