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StB WP Dr. Stephan Knabe, Potsdam

Mitarbeitersuche abseits der Trampelpfade: Interview mit Stephan Knabe

Alle Kanzleien klagen über Schwierigkeiten, gute Azubis zu finden. Alle Kanzleien? Nein, eine kleine unbeugsame Kanzlei in Brandenburg hat sich einen Ruf als Ausbildungskanzlei erarbeitet. Dr. Stephan Knabe erklärt im Interview, wie ihm das gelungen ist.

Ich höre immer wieder von den Schwierigkeiten der Kanzleien, Ausbildungsplätze zu besetzen. Auch die STAX-Umfrage der Steuerberaterkammer gibt das wieder. Von Ihnen weiß ich, dass Sie diese Mühen nicht haben. Was machen Sie anders?

Schauen Sie sich die demografische Entwicklung an: Es gibt weniger Jugendliche. Man muss also entweder länger nach Azubis suchen oder es müssen jetzt andere Konzepte her. Wir sprechen nicht nur Schulabgänger an, sondern auch Leute mit Lebenslauf. Manches funktioniert gut, nämlich Bachelor-Absolventen ansprechen; bei Quereinsteigern muss man etwas länger und genauer hingucken, ob es passt. Bei Männern muss man auch immer etwas genauer hinschauen, denn dieses sehr genaue Arbeiten liegt Frauen oft einfach besser.

Was ist so gut an Bachelor-Absolventen?

Die Bachelor-Absolventen sind in der Steuerberatung, wenn sie noch keine Kanzlei-Luft geschnuppert haben, nicht vermittelbar, zumindest wenn sie zu den großen Beratungsgesellschaften wollen. Also biete ich ihnen an, diese Praxiserfahrung zu sammeln – mit einer Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Danach haben sie einen Bachelor mit Berufspraxis. Es gibt nichts Besseres, diese Leute sind extrem auffassungsbegabt. Früher war mehr Lametta, um es mit Loriot zusagen. Früher gab es mehr Bewerber, heute muss man länger suchen und sich mehr Mühe geben.

Und was ist so gut an Leuten, die schon andere Sachen probiert haben, bevor sie an Kanzleiberufe denken?

Jemand, der mit 19 von der Schule kommt, hat doch gar keine Ahnung, wie cool die Arbeit als Steuerfachangestellter ist. Aber wer schon mal an der Tanke gearbeitet, auf dem Bau gestanden oder im Supermarkt Regale eingeräumt hat oder nachts aufstehen musste, um zum Job zu gehen, der weiß so einen Nine-to-Five-Jobs ganz anders zu würdigen.

Insofern ist es gut, wenn wir den Leute sagen können, bei uns könnt ihr etwas gesellschaftlich Anerkanntes tun, das euch davor bewahrt, jemals wieder arbeitslos zu werden. Ihr braucht nicht nachts aufzustehen, um irgendwo zu frieren. Das ist das Angebot, das wir machen können. Wir übernehmen ja auch unsere Azubis, im Gegensatz zum Beispiel zum Gastro-Gewerbe. Und wonach suchen die Leute? Die suchen Spaß, da muss man also schauen, dass das eigene Team funktioniert. Die suchen Sicherheit, die können wir ihnen bieten. Und erst dann schauen die auf den Lohn. Der Lohn hier in Brandenburg ist übrigens immer noch lausig, aber da kann man ja individuell gegensteuern.

Meine älteste Azubine ist Mitte 30, verheiratet mit Kind und diplomierte Bio-Chemikerin. Eine andere Bachelor in Betriebswirtschaftslehre. Die habe ich jüngst zu einer Jahresabschlussprüfung mitgenommen und sie hat da einen guten Eindruck hinterlassen. Mit einem jüngeren Azubi hätte das wahrscheinlich nicht so gut funktioniert. Ich habe Bachelors, eine Zahnarzthelferin und anders ausgebildete Kräfte als Azubis. Meine jüngste Azubine habe ich geerbt von einem anderen Steuerberater, weil die beiden nicht miteinander klar kamen. Man kann von jungen Leuten nicht erwarten, dass sie wissen, wohin die Reise geht.

Und wo suchen Sie die Leute mit Lebenslauf?

Ganz simpel. Die Arbeitsagenturen sind eine gute Plattform. Da können Sie auch längere Gesuche aufgeben. Denn wenn ein junger Mensch sich entscheidet, drei Jahre bei mir zu verbringen, dann ist es doch das Mindeste, wenn ich ausführlich beschreibe, wie es bei mir zugeht, was ihn erwartet und wohin die Reise geht. Dann pinsel ich doch gern mal eine ganze Seite voll. Die zweite Plattform ist die Ausbildungsplätzen-Börse der Kammer, was auch sehr gut funktioniert. Allerdings dürfen die Texte dort nur 1000 Zeichen lang sein. Und drittens stelle ich die Gesuche auch auf meine eigene Internetseite, damit es konsistent ist. Viele Berater glauben bei solchen Gesuchen reicht es anzugeben: Voraussetzung Abitur. Der Rest sei gottgegeben. Nein, das ist nicht so. Es gibt riesige Unterschiede. Wo liegt die Kanzlei? Wie ist die Kanzlei aufgestellt? An wen wendet sich das Dienstleistungsangebot? Wie alt sind die Kollegen? Es gibt Kanzleien, die buchen keine Umsatzsteuer, weil sich sich völlig auf Ärzte konzentrieren.

Ist das tatsächlich so simpel? Warum funktioniert es dann nicht bei anderen Kanzleien?

Die Frage für die Suchenden ist doch, was kann ich über den Betrieb in Erfahrung bringen? Ich kann gute Infos bieten. Versetzen Sie sich doch mal in so einen jungen Menschen. Der überlegt, werde ich Bankangestellter, Steuerberater oder Berufspilot? Und nachts am Laptop werden dann Stellenangebote durchsucht. Und wenn er oder sie mein Angebot findet, dann ist zu sehen: Iso-zertifizierte Kanzlei, von Focus-Money ausgezeichnet. Die Homepage sieht gut aus und funktioniert auch auf dem iPhone. Die Mitarbeiter sind abgebildet und scheinen gut gelaunt. Das sind die einzigen Eindrücke, die Bewerber gewinnen können, bevor sie uns ihre Bewerbung schicken. Cool, da will ich arbeiten.

Und so groß ist der Konkurrenzdruck gar nicht. Viele Berater bilden gar nicht aus oder nicht in der Kontinuität. Ich habe inzwischen einen Ruf als Ausbildungskanzlei. Das war vor zehn Jahren noch nicht so. Die Kammer schickt mir jetzt Azubis, die davor sind, Ihre Ausbildung bei anderen Steuerberatern abzubrechen. Ich glaube, bei mir stimmt einfach das Gesamtpaket. Vielleicht hatte ich aber auch einfach nur Glück.

Eines noch: Wir haben dieses Jahr zusammen mit anderen Kanzleien aus einem Netzwerk eine Azubi-Akademie in Berlin veranstaltet. Soft-Skills, Buchführung, Steuern und in der Freizeit die Produktion eines eigenen Videos – das alles mit 20 anderen Azubis in einem hippen Hostel in Berlin Mitte. Wenn man so in eine Ausbildung startet, dann fühlt man sich geschätzt und ist Teil einer besonderen Truppe. Gleichzeitig geben die Akademie-Inhalte den Teilnehmern eine Ahnung davon, dass die Ausbildung als Steuerfachangestellter die anspruchsvollste kaufmännische Ausbildung ist, die man in Deutschland machen kann. Das Video haben wir jetzt auf der Website, damit auch andere Lust bekommen, mit uns in das Berufsleben zu starten.

Was würden Sie denn anderen raten?

Sie brauchen Infrastruktur, also Mitarbeiter, die die Azubis unter ihre Fittiche nehmen. Gerade zu Anfang sind Azubis oft eine Belastung, da muss es einen Ausgleich für die ausbildenden Mitarbeiter geben. Bei meinem umsatzbasierten Bonussystem ist das gegeben. Ansonsten gilt: Öffnet Euch, schreibt über Euch. Bietet an, zur Probe zu arbeiten. Schaut nicht nur nach Schulabgängern, sondern auch nach älteren Kandidaten. Zahlt faire Gehälter. Dann passt das.

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