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Das Steuer-Geschäft mit der Scham: Transsexuelle Steuereintreiber in Pakistan

Die Steuerbehörde von Karachi (Pakistan) machte sich das soziale Stigma der Transsexuellen in dem islamischen Land zunutze – und schickte sie als Steuereintreiber zu säumigen Steuerzahlern.

Die öffentliche Schande, Transsexuelle oder Transvestiten – hirjas genannt – vor der Haustür oder im Geschäft stehen zu haben, ist für pakistanische Steuersünder offenbar ein großer Anreiz, ihre Steuern zu zahlen. Auf dass die hirjas bloß schnell weiterziehen – bevor die Nachbarn was sehen.

Sollte das nicht funktionieren, gibt es immer noch die „nukleare Option“: Die transsexuellen Steuereintreiber kommen am nächsten Tag zu sechst wieder, um dann vor dem Haus des Steuerpflichtigen zu singen, zu tanzen und für allerlei Aufsehen zu sorgen – damit die Nachbarn garantiert was sehen.

Die Idee stammt aus Indien, wo sie schon im Jahr 2000 ausprobiert wurde. Die pakistanische Variante stammt aus dem 2010. Für mich war das neu. Auch in Europa ist allerdings beim Geldeintreiben öffentliche Bloßstellung nichts Neues, siehe die Männer in Schwarz oder deren spanische Variante.

Der soziale Status der hirjas ist zweischneidig: Trotz der Ausgrenzung gilt ihr Segen für Neugeborene und Brautleute als Glück verheißend, ihre Gebete als wirkungsvoll und ein Fluch aus ihrem Mund wird gefürchtet. Die hirjas sind in Indien und Pakistan seit Jahrtausenden «familiär» organisiert und in der Gesellschaft präsent.

Das nun ausgerechnet ihre Ausgrenzung und ihr Stigma zum Steuereintreiben genutzt wurde, ist wenig würdevoll. Die Job-Alternativen für Transsexuelle in Pakistan sind jedoch begrenzt: Straßenkünstler, Tänzer, Entertainer sowie Bettelei und Prostitution.

Trotz des sozialen Stigma, haben sich die Rechte für die hirjas in der Islamischen Republik Pakistan verbessert. Sie dürfen nun das elterliche Erbe antreten und in den Wahlen 2013 kandidierte eine Handvoll hirjas sogar offen für einen Sitz im Parlament.

Die fiskalischen Hintergründe sind ernst: Von den 170 Mio. Pakistanis haben 2010 gerade 2,5 Mio. eine Steuererklärung eingereicht. Gerade mal ein Prozent der Pakistani zahlen Einkommensteuer. Politiker, Wirtschaftsbosse und einfache Leute zeigen wenig Steuermoral. Korrupte Steuereintreiber verschärfen das Problem.

Die transsexuellen Steuereintreiber haben in neun Monaten 100.000 Dollar beigebracht, das Zehnfache der Kosten für dieses Programm.

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