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Interview mit Jan Pieper, StBVS Steuerberater Verrechnungsstelle

„Inkasso ist nicht die Leidenschaft der Steuerberater“

Mit der „Steuerberater Verrechnungsstelle“ tritt ein weiterer Anbieter auf, der dem Steuerberatermarkt das Finanzierungsinstrument Factoring erschließen möchte. Jan Pieper, Leiter Vertrieb, sprach mit steuerkoepfe.de.

Etwas versteckt zwischen Rolltreppe und Garderobe warb auf Steuerberaterkongress in Hamburg die StBVS – Steuerberater Verrechnungsstelle um Aufmerksamkeit. Doch Geschäftsführer RA Sven Ries und Vertriebsleiter Jan Pieper gaben sich gut gelaunt und zufrieden mit der Anzahl von Kundengesprächen auf dem Kongress.

Das Factoring hat mich und meine Kollegen beim Steuerberater-Magazin schon häufiger beschäftigt (Fundstellen der Artikel und Factoring-Anbieter). Die StBVS hatte ich noch nicht auf dem Zettel und mich daher auf ein Telefoninterview mit Jan Pieper verabredet:

Mit welchen Argumenten verkaufen Sie Ihre Dienstleistung? 

Die größte Entlastung ist die Übernahme des Honorarmanagements. Der Berater braucht sich nicht mehr mit dem Ausgleich der Rechnungen zu beschäftigen, keine Zahlungserinnerungen oder Mahnungen zu schreiben, keinen Anwalt mit dem Inkasso zu beauftragen. Das ist zum einen bequem, aber viel wichtiger: Es entkoppelt im Kopf des Mandanten und Beraters Mandat und den Ausgleich der Rechnung. Einen säumigen Mandanten ansprechen und dann im selben Telefonat noch existenzielle steuerliche Fragen besprechen, das ist ein gedanklicher Spagat, der einfach nur belastet. Der zweite Vorteil ist die Finanzierung. Wir wandeln Außenstände in Liquidität um. Wenn man sich darauf verlassen kann, dass am Tag nach der Rechnungseinreichung das Geld kommt, fällt die Liquiditätsplanung leichter. Und unser drittes Argument ist der Ausfallschutz durch eine Kreditversicherung.

Sind Steuerberater denn hilfsbedürftig bei der Abrechnung?

„Dass uns jemand nicht bezahlt, kommt sehr selten vor – in weniger als einem Prozent aller Fälle.“

Inkasso ist nicht die Leidenschaft der Steuerberater. Wenn in einem Mandat der Wurm drin ist, weil Zahlungen ausbleiben, dann arbeitet der Steuerberater in aller Regel trotzdem weiter und alle Beteiligten machen sich Illusionen. Wenn der Mandant eines unserer Kunden nicht zahlt, dann senden wir einen Impuls an den Steuerberater. Er kann dann entscheiden, ob er das Inkasso anstößt oder die Forderung zurückkauft. Theoretisch können Sie dieses Prinzip auch in Eigenregie anwenden, es erfordert aber eine fast übermenschliche Disziplin. Und Sie stehen wieder vor einem Berg Arbeit: Entweder der Mandant ist unzufrieden und es wird nachverhandelt oder er ist abgetaucht und nicht erreichbar. Davor können wir Berater bewahren. Dabei hilft, dass wir in der Mandantenwahrnehmung als Verrechnungsstelle auftreten. Wir sind ein professioneller Abrechner, das wissen die Mandanten, und als solcher profitieren wir von einem sehr geringen Forderungsausfall. Dass uns jemand nicht bezahlt, kommt sehr selten vor – in weniger als einem Prozent aller Fälle. 

Akzeptieren Sie jede Art von Mandant?

„Berater drücken bei ihren Mandanten oft ein Auge zu. Mandanten mit Grenzbonität wissen das und spekulieren darauf.“

Wir nehmen alle Sorten Mandanten, auch Privatmandanten, aber wir finanzieren nicht jeden Mandanten. Das heißt: Für Mandanten mit schlechter Bonität, wenn z.B. ein Schufa-Eintrag wegen eines gekündigten Kontos vorliegt, übernehmen wir das Honorarmanagenent und das Inkasso, wir strecken das Honorar aber nicht vor. Tendenziell werden wir als Verrechnungstelle übrigens schneller bezahlt, als der Steuerberater. Berater drücken bei ihren Mandanten oft ein Auge zu. Mandanten mit Grenzbonität wissen das und spekulieren darauf. Uns bezahlen sie schneller, da wir ein professioneller Abrechner sind. Es lohnt sich also auch, Mandanten über uns abzurechnen, die wir nicht vorfinanzieren.

Müssen Berater alle Mandanten über Sie abrechnen?

Nein. Die Kanzlei muss aber eine Grundsatzentscheidung treffen. Mandantenrechnungen mit Lastschrifteinzug brauchen nicht eingereicht zu werden, alle anderen sollten über uns gehen (freier Umsatz). Wir bilden diesen Gedanken auch im Preismodell ab: Je nach Verfahren zahlt der Kunde zwischen 3 und 3,5 Prozent Einreichungspreis vom Rechnungsbetrag an uns. Wird konsequent eingereicht, kommen dann keine weiteren Kosten auf den Kunden zu. Wird aber selektiert, so dass wir nur einen Bruchteil des freien Umsatzes bekommen, greift ein Mindestpreis in Höhe von 1,5 Prozent des Kanzleiumsatzes, auf den die Einreichungspreise angerechnet werden. Anders herum: geben unsere Kunden uns 50% ihres Umsatzes oder mehr, bezahlen Sie nur den Einreichungspreis pro Rechnung. Selektieren sie, wird es teurer.

Wie kommen die Rechnungen zu Ihnen?

Per Webportal. Die Kanzlei erstellt die Rechnungen und lädt sie uns als pdf hoch. Wir versehen die Rechnung im offenen Verfahren mit einem Deckblatt von uns und versenden es an die Mandanten. Das Portal ist einfach zu bedienen, aber wir wollen diesen Prozess weiter vereinfachen und können die neue Lösung hoffentlich bald vorstellen.

Sie bieten sowohl das offene, als auch das stille Factoring an. Wo sind die Unterschiede? Und welches Verfahren empfehlen Sie?

Beim stillen Verfahren versendet die Kanzlei ihre Rechnungen selbst und der Mandant erfährt nicht, dass wir seine Rechnung vorfinanzieren. Beim offenen Verfahren wird die Abtretung offen kommuniziert und wir versenden die Rechnung. Beide Verfahren sind ohne Zustimmung des Mandanten möglich, da Abtretung an eine Rechtsanwaltsgesellschaft erfolgt, die gleichermaßen wie der Steuerberater der Verschwiegenheitspflicht unterliegt (§ 64 Abs. 2 S. 1 StBerG).

Wir empfehlen den Beratern das offene Verfahren. Es entlastet die Kanzlei stärker und kommuniziert offen, dass ein professioneller Abrechner sich um die Beibringung kümmert, was dazu führt, dass die Mandanten besser zahlen. Beim stillen Verfahren weiß der Mandant nicht, dass wir das Honorar abwickeln. Das bedeutet: Alle Nachfragen und Beschwerden zum Honorar landen weiterhin in der Kanzlei. Die Arbeitserleichterung ist geringer als beim offenen Verfahren und die Zahlungsmoral steigt auch nicht.

Welche Argumentation empfehlen Sie Beratern gegenüber ihren Mandanten, die auf Factoring setzen wollen?

„Das Problem, dass Mandanten von der Fahne gehen könnten, wenn eine Verrechnungsstelle eingesetzt wird, existiert nur im Kopf des Beraters.“

Die Verrechnungstelle spart mir Zeit, die ich für Sie einsetzen kann. Das ist die einfache Botschaft, die auch jeder Unternehmer versteht. Das Problem, dass Mandanten von der Fahne gehen könnten, wenn eine Verrechnungsstelle eingesetzt wird, existiert nur im Kopf des Beraters. Viele Mandanten kennen die ärztlichen Verrechnungsstellen und haben kein Problem damit. Und warum sollte ein zahlungswilliger Mandant damit auch ein Problem haben? Und welche Botschaft möchten Sie dem zahlungsunwilligen Mandanten senden? 

Interessanterweise gibt es aber tatsächlich Mandanten, die sich beschweren. Und deren Steuerberater sagte daraufhin zu uns: „Das sind genau die Mandanten, derentwegen ich den Vertrag mit Ihnen gemacht habe.“

Sie haben die Deutsche Anwaltliche Verrechnungsstelle AG mitgegründet. Welche Unterschiede gibt es da zum Steuerberatermarkt?

Das war eine harte Zeit. Wir haben ab 2004 darum gekämpft, dass unser Angebot als legal anerkannt wurde. Da musste man sich einiges anhören. Aber wir haben gewonnen. 2007 wurde die BRAO entsprechend geändert und 2008 war der letzte Altfall vom BGH abgehandelt worden. Nach altem Recht war eine RA-Forderung nur abtretbar, wenn sie tituliert war, ein erster Eintreibungsversuch erfolglos geblieben ist und der Mandant zugestimmt hat. Das setzte den Anwalt in eine unmögliche Situation. Letztlich ging es um die Frage des Schutzes des Mandatsgeheimnisses. Hüter des Geheimnisses ist der Mandant und wenn dieser zustimmt, kann der Anwalt seine Forderung abtreten. Das ist das neue Recht seit 2007 und unsere Geschäftsgrundlage. Der Entschluss, auch Steuerberater zu bedienen, fiel im Frühjahr 2014. Einen Monat später war unser Angebot fertig. Denn wir hatten ja schon alles, was wir brauchten: eine Rechtsanwaltsgesellschaft, eine Bank, entsprechende Kreditversicherungen und eine Druckstraße für den Druck der Rechnungen und Mahnungen.

„Gerade Versicherungen können Verrechnungsstellen daher gar nicht gut leiden.“

Der Hauptunterschied zu den Steuerberatern besteht darin, dass wir im Rechtsmarkt es oft mit so genannten Drittschuldnern zu tun haben. Das sind Haftpflicht- oder Rechtschutzversicherungen, Gerichtskassen wie etwa für die Prozesskostenhilfe und so weiter. Diese Institutionen führen ein straffes Regiment und achten sehr darauf, dass in der Honorarauseinandersetzung das Szenario „große Institution gegen einzelnen Anwalt“ bestehen bleibt. Gerade Versicherungen können Verrechnungsstellen daher gar nicht gut leiden. Versicherungen verlieren sehenden Auges Prozesse gegen uns und gehen höhere Kosten ein, solange sie nur ihre Marktmacht gegen Einzelkämpfer durchsetzen können, indem sie deren Rechnungen ein wenig zurechtkürzen. 

Ein anderer Unterschied ist, dass für Rechtsanwälte das Inkasso zum Beruf und auch zum Selbstbild gehört. Das ist bei Steuerberatern gänzlich anders. Daraus resultiert, dass Steuerberater unseren Service sehr viel konsequenter nutzen als Anwälte.

[blue_box] Über Jan Pieper:

Jan Pieper stammt aus Freiburg an der Elbe und ist der Leiter Vertrieb der StBVS – Steuerberater Verrechnungsstelle. Er ist außerdem Mitgründer und Vorstand der Deutsche Anwaltliche Verrechnungsstelle AG.

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[white_box] Artikel und Anbieter

  • Alexandra Buba, Verschwiegene Geldeintreiber, StBMag 9/2014 Seite 30, DokID [UAAAE-70915].
  • Claas Beckmann, Damit Sie flüssig bleiben, StBMag 10/2009 Seite 48, DokId: [OAAAD-29367]
  • Claas Beckmann, Problemfall Factoring?, StBMag 12/2011 Seite 28, DokId: [MAAAD-96314]
  • Till Mansmann, Datev und Degev in den Startlöchern, StBMag 4/2007 Seite 32, DokID: [BAAAC-59418]

Die Geschichte des StB-Factoring ist nicht komplett ohne Erwähnung der Degev: Die Degev e.G. beschäftigte in den vergangenen Jahren die Instanzen, um in Kooperation mit einer Steuerberatungsgesellschaft die Abtretung von StB-Honoraren zu ermöglichen. Ohne Erfolg mit diesem Anliegen, aber mit langen Atem in der Sache agiert die Degev jetzt mit einer Rechtsanwaltgesellschaft und dem Honorar-Spezialisten RA Hans-Günther Gilgan (siehe dazu das Interview mit RA Gilgan auf der steuerberaterseite.de. Denn Anwälten ist das Inkasso erlaubt.

  1. Factoring, Inkasso für Steuerberater & Wirtschaftsprüfer -StBVS
  2. VR FACTOREM | Zukunftorientierte Unternehmensfinanzierung
  3. Factoring für Steuerberater | Degev – Deutsche Genossenschaftliche Verrechnungsstelle für Steuerberater e. G.
  4. opta data Gruppe: Externes Forderungsmanagement für Rechtsanwälte und Steuerberater

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