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Stephan Wollgarten: Kooperationen in Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung

„Kooperation tut zuweilen eben auch ein bisschen weh.“

Eine Unternehmensstrategie des externen Wachstums scheint für Unternehmen vieler Branchen der beste Weg, Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Auch in der Steuerberatung? Dr. Stephan Wollgarten hat seine Dissertation diesem Thema gewidmet und sprach darüber mit steuerkoepfe.de.

Wie oft liest man in Selbstbeschreibungen von Kanzleien von Kooperationen und den unzähligen Vorteilen, die daraus den Mandanten erwachsen! Und wie oft werden Kanzlei-Ziele wie Wachstum oder Ausbau der Dienstleistungen tatsächlich erreicht? In meiner Wahrnehmung klafft da eine gewaltige Lücke.

Stephan Wollgarten hat Kooperationen im StB- und WP-Markt untersucht: Welche Vorteile locken? Welche Risiken schrecken? Und welche Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Kooperation? Mein Gespräch mit ihm finden Sie hier zusammengefasst und weiter unten ein kleines schriftlich geführtes Interview.

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Stephan Wollgarten: Kanzleikooperationen in Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung
(c) Springer Gabler

Stephan Wollgartens Dissertation wurde von der Datev gefördert und ist inzwischen auch als Buch erschienen. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Rüdiger v. Nitzsch hat er in der Zeitschrift „Der Betrieb“ auch einen Aufsatz zum selben Thema veröffentlicht (Der Betrieb v. 05. Juni 2015, S. 1297 ff.).

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Wie bekomme ich Mehrwert in die Beratung?

Das ist laut Wollgarten die Kernfrage für wirtschaftsberatenden Kanzleien. Dabei bieten sich seiner Meinung nach zwei Wege an: Spezialisierung, also der Aufbau von seltenem Wissen, oder der Aufbau eines Verbunds, der viele Köpfe im Dienst des Mandanten vereint.

Kooperationen verbinden Kopfwissen

Der zweite Weg lässt sich in bestimmten Fällen durch Fusion oder durch Kooperation erreichen, da Akquisitionen für die meisten Kanzleien kaum infrage kommen dürften. Eine Fusion verursacht zunächst mehr Aufwand als eine Kooperation, die sich mit weniger Formalitäten gestalten lässt.

Dabei zeigt sich laut Wollgarten, dass gerade kleine Kanzleien ihre Unabhängigkeit hoch halten, sodass sie Fusionen oder vertraglich untermauerte Kooperationen eher meiden als größere Wettbewerber. Das Ergebnis seien oftmals Alibi-Kooperationen, die aus kaum mehr als Absichtserklärungen bestehen.

Für seine Dissertation hat Wollgarten Formen der Zusammenarbeit von StB- und WP-Kanzleien untersucht. Was ist dabei erfolgversprechend? Was sind die Hindernisse?

Nach den Ergebnissen der Arbeit zählen zu den potentiellen Anreizen für eine Kooperation vor allem qualitative Bestrebungen wie etwa ein besseres Personalmanagement und die Erweiterung des Leistungsspektrums – Kosteneinsparen stehen im Vergleich der Zielsetzungen deutlich weiter hinten.

Wenn schon, denn schon

„Wenn eine Kooperation zur Strategie des Unternehmens passt, dann steigen die Erfolgsaussichten“, sagt Wollgarten. Seiner Beobachtung nach kooperieren größere Kanzleien öfter, intensiver und internationaler. Kleinere Kanzleien kooperierten tendentiell eher formlos und inaktiv und liefen so dem Markt hinterher oder schöpften die möglichen Synergien nicht aus.

„Eine Kooperation muss Stabilität und Verlässlichkeit bieten, sonst ist sie ein reines Marketingversprechen“, sagt Wollgarten. „Nur ein bisschen Adresstausch untereinander – das ist keine Kooperation.“

Interview Stephan Wollgarten

Worum ging es in Ihrer Untersuchung?

Konkretes operatives Ziel der Untersuchung war es, die Zusammenarbeit von Kanzleien auf ihre Anreiz- und Risikofaktoren hin zu untersuchen und darauf aufbauend Einflussfaktoren zu identifizieren, die für Struktur und Erfolg einer Kanzleikooperation von Bedeutung sind. Zu guter Letzt bin ich der Frage nachgegangen, inwiefern der Kooperationserfolg letztlich auf den Kanzleierfolg abfärbt?

Wie viele Kanzleien welcher Größe und Ausrichtung haben Sie befragt?

Nach Datenmanagement beruhte das in mehreren Stufen bereinigte Datenmaterial der finalen Nettostichprobe der Untersuchung auf 1.385 Datensätzen von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien in Deutschland.

Was zeichnet gelungene Kooperationen aus?

Wissenschaftliche Untersuchungen erlauben selten pauschale Aussagen. Es kommt zudem durchaus darauf an, was man unter Gelingen versteht. Das Untersuchungsmodell gibt vor allem Hinweise, welche Faktoren den Erfolg einer Zusammenarbeit im Sinne der Erreichung priorisierter Ziele verstärken.

„Unternehmenskooperation zu einer zentralen strategischen Aufgabe machen.“

Wenn man dies im Kern betrachtet, kann man einige „goldene Regeln für Kanzleikooperationen“ ableiten. Dazu gehört beispielsweise, nur dann mit Wettbewerbern zusammenzuarbeiten, wenn das Kooperationsgefüge unmittelbar zur eigenen Kanzleistrategie und -struktur passt, um dann jedoch die Unternehmenskooperation auch zu einer zentralen strategischen Aufgabe zu machen.

Zudem zeigt sich, dass die klare Kommunikation von Vorbehalten und von mit der Zusammenarbeit verfolgten, firmeneigenen Absichten sowie eine formal geregelte Zusammenarbeit dem Kooperationserfolg gut tun.

Wenn Synergie-Potential vorhanden ist, betrachten erfolgreiche Kooperationen Risiken zudem vor allem als Gestaltungshinweise der Zusammenarbeit, nicht als Gründe zu deren Vermeidung. Daher kann es hilfreich sein, erfahrene und größere Partnerkanzleien mit ins Boot zu holen. Ohnehin zeigt sich ein starker Größeneffekt: Wie auch in anderen Bereichen, sind kleine Unternehmen stärker von strategischer Trägheit gekennzeichnet.

Woran scheitern Kooperationen?

Dies ergibt sich teilweise aus dem Zuvorgesagtem: Unverbindliche und auf Risikoaversion ausgerichtete Kooperationen können letztlich keine substantiellen, gar nachhaltigen Mehrwerte generieren. Deswegen muss auch die Anreiz-Beitrags-Struktur stimmen. Selbst nicht an den Tisch zu bringen, was man von den Kooperationspartnern fordert, ist sicherlich ein Weg wie man Scheitern fördert.

„Kooperation tut zuweilen eben auch ein bisschen weh.“

Nach den Ergebnissen sind vor allem zwischenmenschliche Risiken problematisch, was bei der Vielzahl eher kleiner und stark inhabergeprägter Kanzleien eine Herausforderung ist. Sich nicht „reinreden“ zu lassen, übervorteilt zu werden oder Autonomie abzugeben sind führende Hemmnisse für das Zustandekommen und den Erfolg einer Kanzleikooperation. Deswegen aber peripheren „nice-to-have“-Kooperationen den Vorzug zu geben, ist ein Trugschluss. Aus Sicht der Unternehmensentwicklung, soll man es dann lieber ganz sein lassen. Kooperation tut zuweilen eben auch ein bisschen weh, es geht schließlich um Veränderung. Wie heißt es im Englischen so schön: „No pain, no gain.“

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Über Stephan Wollgarten:

Stephan Wollgarten (Foto: privat)
Stephan Wollgarten (Foto: privat)

Stephan Wollgarten ist Projektmanager bei der Wotax Beratergruppe, Schwerpunkt Unternehmensentwicklung.

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